Norwegen 2007
(29.Juni-8.August)
Diesmal waren Karin und ich fast 6 Wochen in Norwegen. Die ersten 2 Wochen
waren noch 3 andere Paare unseres Kletterklubs mit von der
Partie, aber im Nisser- und Fyresdal war in dieser Zeit
so ausgeprägtes Schmuddelwetter, wie wir es auf unseren bisherigen
Norwegenreisen noch nicht erlebt hatten. Die anderen gaben
schließlich auf und
fuhren vorzeitig nach Hause. Wir zwei Unverzagten aber fuhren auf der Suche
nach besserem Wetter gen Norden. Erst kurz vor Trondheim wurde es etwas
besser, doch kam es auch hier noch vor, dass es manchmal einen ganzen
Tag ununterbrochen regnete. Zum Glück bestand unser neues Schlafauto,
ein Kangoo von
Renault mit vom Werk gelieferten Komfortbett, diesen Härtetest
mit Auszeichnung. Wir lagen drei Mal den ganzen Tag im Bett, schliefen
viel, lasen
irgendwelche Bücher, aßen krümlige Leckerbissen und sahen uns
durch die Fenster interessiert an,
was draußen im Regen so alles passierte. Sehr erholsam.
Ja, und dann gab es
endlich auch die Tage mit richtig schönem Wetter. Trollheimen, Innerdalen
Romsdalen und der Besseggengrat im Jotunheimen bescherten uns
unvergessliche Erlebnisse
in den Bergen. Hier soll nur auf die Gebiete Rendalen und Sunnmöre näher eingegangen
werden, weil diese relativ unbekannt sind und bestimmt den einen oder anderen
Wander- und Kletterfreund interessieren.
Rendalen
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Rendalen liegt östlich des Rondane-Gebirges. Den Tipp, dieses interessante Gebiet
zu besuchen, bekamen wir von Einheimischen. Rendalen ist 3200qkm groß und
mit nur 2300 Einwohnern nahezu menschenleer. Aus einer großen Hochebene
ragen die Sölen empor, eine Kette eindrucksvoller Berggestalten. Zwar
gibt es hier keine Felsen zum Klettern, aber die Besteigung des 1755m hohen
Storhogget auf unmarkiertem Wege ist spannend und vom Gipfel hat man
eine phantastische Rundumsicht.
Die Hochfläche wird durch einige schmale Sträßchen durchschnitten, ohne
Asphalt, aber staubfrei und mit dem Auto gut befahrbar. Sehr zu empfehlen
ist, vom Städtchen Övre Rendal zum kleinen Fischerdorf Fiskevollen
zu fahren. Die
uralten Häuschen des Dorfes liegen ganz ruhig und beschaulich am
fischreichen See Sölensjöen. Über ihnen schwebt der unwiderstehliche
Duft der Räucheröfen. Für relativ wenig Geld kann man sich z.B. eine
Forelle oder einen Saibling kaufen, noch warm und deshalb am besten
sofort zu verspeisen.
Die Hochebene (Fjell) ist nur von mental starken Wanderern zu bezwingen.
Scheinbar endlos ziehen sich die Wege durch die mit Rentierflechten
bedeckten Hügel. Wir waren froh, dass wir unsere Fahrräder dabei hatten.
Gemütlich fuhren wir übers Fjell zur Sölen-Hütte. Sie liegt am Fluss
Mistra in einer lieblichen Oase in dieser sonst etwas herben Landschaft.
Sie wird von einem freundlichen Ehepaar bewirtschaftet, dem es beinahe
gelungen wäre, uns zum Bleiben in diesem Paradies zu überreden. Wir wären
die einzigen Gäste gewesen. Am Ende ließen wir es bei einem Bad in der
Mistra bewenden und beim Genuss der hier überreichlich wachsenden Heidel-
und Himbeeren. Und Rotkappen gab es so viele, dass wir nur die jungen
und allerschönsten auswählten. Wahrlich
ein Paradies.
Sunnmöre-Alpen
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Die Provinz Sunnmöre erstreckt sich vom Romsdalen nach Westen hin bis zum
Atlantik. Schon lange hatten wir vermutet, dass sich in diesem großen Gebiet
auch interessante Berge verstecken, denn vom Rande her hatten wir in der Ferne
wiederholt kühne Hörner erspäht. Aber Sunnmöre ist zerteilt von vielen
Fjorden und es ist gar nicht so einfach, ins Innere vorzudringen. Nun sahen
wir zufällig an einem Regentag in Aalesund im Schaufenster des
Tourismusbüros ein Poster
hängen, das uns elektrisierte. Auf einer unglaublich schlanken Felsnadel
stand ein Mensch.
Er stand dort wie eine Primaballerina, mit erhobenen Armen und auf nur einem
Bein, das andere seitlich in die Luft gespreizt. Und ohne jede Sicherung - ein
wahrlich atemberaubendes Bild. Allein der
Gedanke, wie man aus dieser Stellung wieder zurück in eine sichere kommt,
weckte in uns heftige Schwindelgefühle.
Die Nadel war so spitz, dass man darauf
nicht sitzen konnte. Und offenbar hatte man auch nicht gewagt, an diesem
dünnen Gebilde einen Abseilhaken anzubringen. Um die Spitze war lediglich eine
Schlinge gewunden, in der bereits das Seil zum Abseilen hing. Zuerst dachten wir,
das kann nur eine Fotomontage
sein. Aber auch bei genauerem Hinsehen sah alles echt aus. Das Bild war
mit "Bladet i Molladalen"
unterschrieben.
Sofort war uns klar, dass wir diesen kühnen Bladet unbedingt finden mussten.
Wir hatten Glück, denn eine der Damen im Büro kannte sich aus und zeigte uns das
Mollatal auf der Landkarte. Es lag mitten
im Gebirge Sunnmörs Alpane, nur etwa 30 km südlich von Aalesund.
Gleich am nächsten regenfreien Tag machten wir uns auf den Weg. Zunächst mit
der Fähre über den Fjord nach Festoy, dann nach Barstadvik und auf einem
Mautsträßchen ins Gebirge hinein zur Alm Melbö-Setra. Hier kann man in schöner Umgebung wild zelten bzw.
im Auto übernachten. Das Molladalen selbst liegt etwa 600 m höher. Ein markierter Weg
führt in etwa 2 Stunden hinauf. Die einheimischen Kletterer nehmen
normalerweise das Zelt
mit, um dann an zwei oder mehr Tagen auf die Felsen zu steigen.
Darauf waren wir aber nicht eingerichtet, denn aus Vorfreude auf das
bequeme Bett in unserem neuen Kangoo
hatten wir das Zelt zu Hause einfach vergessen. So müssen
wir nun versuchen, an einem einzigen Tag einen möglichst kräftigen
Eindruck vom vielgepriesenen Tal zu bekommen. Zum Glück sind jetzt in diesen
Breiten die Tage sehr lang.
Am nächsten Morgen brechen wir in aller Frühe auf. Der Weg ist ziemlich steil,
doch nach 2 Stunden stehen wir tatsächlich am Rand des Talkessels. Ein imponierendes Bild tut sich vor uns auf. Am Boden des Kessels erstreckt sich
ein großer See. In seinem Wasser spiegeln sich kühne Felszinnen, die
im Osten über steilen Grashängen zum Himmel ragen. Von Einheimischen
erfahren wir, wo sich die besten Kletterwege befinden. Der Bladet
ist vom See aus nicht zu sehen, er befindet sich jenseits des Bergkamms.
Man zeigt uns den Weg "Mohnsrenna", der zum Kamm hinaufführt. Der Weg ist
ziemlich steil, aber die ständig wechselnden Ansichten der Felstürme links
und rechts der Rinne lassen die Anstrengung leichter ertragen. Am Südpfeiler
von Randers Topp sehen wir zwei Kletterer in der "Dosethruta" (VI+). Der Weg ist 250 m lang und der saubere und kompakte Gneis sieht verlockend aus. Ach, wenn wir doch noch jung und drahtig wären!
Nach etwa einer Stunde erreichen wir den Kamm. Hier erwartet
uns ein traumhaft schönes Bild. In 1200 m Tiefe leuchtet das sattgrüne Wasser
des Hjörundfjords, direkt unter uns glänzt das Eis des Aarsnes-Gletschers
und aus diesem Eis reckt sich der Bladet empor, tatsächlich genau so kühn wie auf dem Poster. Wir setzen uns auf eine große Steinplatte, stillen Durst und Hunger und schauen dabei andächtig in die Runde. Am Hang unterhalb vom Bladet sehen
wir den "Giganten", eine 70 m hohe Säule, die nur auf schweren Wegen besteigbar ist
(VI und mehr). Über uns ragt das "Kanonenrohr" (V) tollkühn in den Himmel.
Auf der anderen Seite des Hjörundfjords steht ein phantastischer Berg. Wie wir
später erfahren, heißt dieses formschöne Horn "Slogen" und gilt als der
König unter den Sunnmörs-Bergen.
Gestärkt an Leib und Seele packen wir das Seil aus und
steigen hinunter auf den Gletscher. Von den Einheimischen hatten wir erfahren,
dass der Aufstieg auf den Bladet nur mit IV- eingestuft ist. Nach dem
haarsträubenden Anblick der
Nadel auf dem Foto konnten wir uns das überhaupt nicht vorstellen,
aber beim Queren hinter
den Felsen löst sich das Rätsel auf: die Nadel ist in Wirklichkeit eine Scheibe (Bladet heißt ja übersetzt
Klinge) und von Osten her weist der Fels sehr einladende Strukturen auf. Eigentlich
müssten wir darüber enttäuscht sein, aber am Ende überwiegt doch die Freude, dass
ein so gründlich entschärfter Bladet auch uns die Chance zur Besteigung eröffnet. Dieses harmlose Türmchen
ist wirklich ein kleines Wunder. Wir sahen schon viele Felsen , die
je nach Blickrichtung ihre Wirkung von bedrohlich auf angenehm wandelten, aber
einen so krassen Fall gab es bisher noch nicht.
Das Wetter wurde leider schlecht. Dichte Nebelschwaden zogen
uns beim Abstieg in der Mohnsrenna entgegen. Eigentlich hatten wir uns vorgenommen,
noch einen Turm mit dem eigenartigen Namen "H-3 Naala" zu besteigen, aber nun war es schwierig genug, in der regenfeuchten Rinne heil ins Tal zurückzukommen. All die
vielen Felsspitzen über dem See, die wir am Vormittag bewundert hatten, waren
jetzt kaum noch zu sehen. Schemenhaft wie Trolle und Gubben tauchten sie aus dem
Nebel auf und verschwanden wieder. Enttäuscht stolperten wir im Dämmerlicht
zurück zur Setra.
Am nächsten Morgen verflog der Ärger schnell, war es doch alles in allem
ein erlebnisreicher Tag gewesen. Wir hatten gesehen, dass das Mollatal ein wirklich lohnendes Klettergebiet ist. Das Besondere hier sind dievielen freistehenden Türme, die wir Sachsen ja viel mehr
lieben als zum Beispiel die Felsplatten in Südschweden, die irgendwo im Urwald enden.
Die Türme hier sind ebenso bizarr wie die zu Hause im Bielatal, allerdings sind
an manchen die Talseiten bis zu 200 m hoch.
Die einheimischen Kletterer besaßen
den Kletterführer "Molladalen"
(Ausgabe 1989 Iriss Forlag, 128 Seiten, ISBN 82-992081-0-6), den wir sehr gern gekauft hätten.
Uns war nämlich inzwischen klargeworden, dass wir irgendwann - am besten mit
Freunden, die ordentlich klettern können - hierher zurückkehren werden.
Doch wir erfuhren im Buchladen von Örsta, einer kleinen Stadt 15km südöstlich von Molladalen,
dass der Kletterführer schon längere Zeit vergriffen ist. Aber einen
sehr schönen Natur- und Wanderführer Sunnmöre gab es:
"Fotturar pa Sunnmöre" (3. Ausgabe 2003 Iriss Forlag, 352 Seiten, ISBN 82-992081-4-9). Er ist zwar in Norwegisch geschrieben, aber die
graphischen Darstellungen und Kurzbeschreibungen von mehr als 200 Wanderrouten
sind auch ohne norwegische Sprachkenntnisse zu verstehen. Wir jedenfalls
haben mit Hilfe dieses Buches unsere Ziele problemlos gefunden. Übrigens sind die
Verfasser die gleichen wie beim Kletterführer, was erklärt, dass
auch viele Informationen zu Kletterzielen enthalten sind.
Wie schon erwähnt, ist Sunnmöre verkehrstechnisch etwas schwierig zu erreichen.
Deshalb sind die großen Touristenströme bisher ausgeblieben und deshalb
sind die Einheimischen noch freundlich und hilfsbereit gegenüber den wenigen
Fremden. So grämte sich der Buchhändler in Örsta sehr, dass er keinen
Kletterführer für uns hatte. Aber er kannte einen der beiden Verfasser und er
wollte versuchen, uns Kopien der
wichtigsten Seiten zu beschaffen.
Und wirklich überreichte er uns am nächsten Tag die Seiten, bereits gefaltet
zu einem kleinen Ersatzkletterführer "Molladalen".
Wir waren ganz gerührt über diese großartige Hilfsbereitschaft.
Wieder zu Hause, haben wir das Internet nach weiteren Informationen durchforstet:
unter
www.iriss.no hat der iriss-Verlag eine gute Kurzfassung des vergriffenen
"Molladale"-Kletterführers veröffentlicht. Auch die Webseiten
www.klatreklubben.no und www.skk-nytt.com enthalten viel Interessantes, unter anderem
Kletterführer von mehreren Sportklettergebieten in der Umgebung von Aalesund.
Die folgenden Bilder sollen zeigen, dass Molladalen wirklich
ein Paradies für Kletterer ist. Wir hatten leider
einen Tag mit wenig Sonne erwischt, aber vielleicht waren gerade
die durch Nebelschwaden verzauberten Felsspitzen besonders eindrucksvoll.
Neben dem Molladalen sahen wir in Sunnmöre noch einige andere lohnende
Klettergebiete. Von den über 200 im Führer beschriebenen Wanderungen
haben wir nur zwei ausprobiert, sie waren beide sagenhaft schön.
Wir hoffen, dass wir mit unserem Bericht
den einen oder anderen Leser neugierig auf Sunnmöre gemacht haben.
Molladalen:
weitere Klettergebiete in den Sunnmöre-Alpen:
am Meer :
Zum Schluss noch ein Bild, das helfen soll, finanzielle Schäden
zu vermeiden :
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