Teilbericht zu den Guardian Peaks:

Klettergebiet zu vergeben

      Möchte vielleicht jemand ein neues Klettergebiet haben, schön, jugendfrisch und noch unerschlossen? Gibt es nicht? Doch, doch! Auch wir dachten zuerst, dass wir träumen. Wir fuhren durch ein grünes Hügelland, kamen um eine Kurve und plötzlich tat sich vor uns ein märchenhaft schönes Bild auf: ein grüner Wiesenberg, dicht besetzt mit vielen hohen Felszähnen, wie geschaffen, das Herz jedes sächsischen Kletterers höher schlagen zu lassen. Wir zählten über 20 freistehende Türme, alles edle Gestalten. Die Krönung aber war eine etwa 40 Meter hohe Felssäule, die unglaublich kühn in den Himmel ragte. Natürlich konnten wir hier nicht einfach vorbeifahren. Diese Felsen mussten wir uns unbedingt näher ansehen. Wir suchten uns also ein Plätzchen für das Zelt und sahen begeistert zu, wie die Felstürme dort oben im letzten Abendlicht dunkelrot aufleuchteten.
     Am nächsten Tag steigen wir zu den Felsen hinauf. Wir sind gespannt, ob sie sich zum Klettern eignen. Als erstes Testobjekt wählen wir eine kleine, regelmäßig geformte Pyramide. Wir gehen zur stark geneigten bergseitigen Kante und berühren den Fels. Er fühlt sich angenehm rau an, fast wie der heimatliche Sandstein. Beschwingt turnen wir die Kante hinauf. Sie ist leicht, ein idealer Kinderweg. Wie vorausgesehen, gibt es keinen Abseilring. Beim Absteigen spüren wir deutlich die Luft unter uns, denn ausgleiten darf man hier nicht.
     Von Süden her zieht eine Wand mächtiger Wolken heran. Wir beeilen uns, um noch einen zweiten Gipfel zu schaffen. Etwas westlich der Pyramide steht ein großer Turm. Die Talseite ist an die 50 Meter hoch, die bergseitige Kante immerhin noch über 30 Meter. Die Kante ist viel steiler als die an der Pyramide, auch ist der Fels an einigen Stellen brüchig und es gibt wenig Sicherungsmöglichkeiten. Die Schwierigkeit liegt im Bereich von IV oder V. Kaum sind wir auf dem Gipfel, überfällt uns das Unwetter. Es stürmt und dichter Nebel macht sich breit. Wir opfern eine Schlinge und seilen in die Scharte ab. Unten warten wir lange auf eine Wetterbesserung, denn gar zu gerne möchten wir noch die benachbarte Säule inspizieren, die uns in ihrer Kühnheit an die Kobyla im Böhmischen Paradies erinnert. Aber die Wolken werden immer dichter und es beginnt zu regnen. Wir geben auf und steigen die glitschigen Wiesen hinunter. Nur den Teleskopstöcken ist zu verdanken, dass wir halbwegs senkrecht bleiben.
     Am nächsten Morgen ist wie zum Hohn das Wetter schön. Verheißungsvoll glänzen die Felsen im Sonnenlicht, doch meine Frau klagt über heftige Rückenschmerzen. Sollte die überstanden geglaubte Lungenentzündung noch einmal zurückkehren? Jedenfalls müssen wir weiter in die nächste große Stadt, um einen Arzt aufzusuchen. So bleiben für uns die schönen Felsen auf dem grünen Berg leider ein allzu kurzes Abenteuer.
     Ich kann mir gut vorstellen, dass diese Felsen auch anderen Bergfreunden in Sachsen gefallen würden. Leider befinden sie sich nicht direkt vor der Haustür, sondern beim Städtchen Elliot, etwa 200 km nördlich der südafrikanischen Hafenstadt East London. Etwas weit, um extra zum Klettern dorthin zu fahren. Aber ich denke, dass viele Bergfreunde, die eine Rundreise durch Südafrika unternehmen, ohnehin ein Kletterseil in ihrem Gepäck haben, und dann lohnt es sich bestimmt, zwei oder drei Tage für Elliot abzuzweigen. Ganz gut wäre es, einen Bohrer und Ringe dabei zu haben, um von den Gipfeln auch wieder herunter zu kommen.
      Man sieht die Felsen bereits von Elliot aus auf ihrem Wiesenberg stehen, und ein kleines Sandsträßchen führt die etwa 8 km bis hin zum Fuß des Berges. Hier gibt es eine Farm und auch eine Wanderhütte. Der Farmer sagte uns, dass von seiner Farm aus viele Wanderer in die Berge starten, aber er habe bisher noch nie Menschen mit einem Seil gesehen, die die Felsen besteigen wollten. Tatsächlich haben auch wir bei unserer kurzen Erkundung keinerlei Besteigungsspuren festgestellt. Die Einheimischen bezeichnen die Felsen als die Guardian Peaks und die besonders markante Gruppe direkt über der Farm als die Fingers. Auf halbem Wege zwischen Elliot und der Farm gibt es einen idyllischen Campingplatz am Thompson-Stausee. Zebras und Antilopen grasen frei zwischen den Zelten und am Stausee tummeln sich die seltsamsten Wasservögel. Die Elliot Tourism Association (Tel. 045 9311361) verwaltet den Platz und unterstützt Wanderer - künftig vielleicht auch Kletterer - mit Rat und Tat, unter anderem stellt sie kostenlos Wanderkarten und Routenpläne für die Umgebung bereit.
     Die 20 Felsen direkt über Elliot sind nicht die einzigen Kletterobjekte in dieser Gegend. Zum Beispiel gibt es westlich davon an der Straße zum Barkly Pass eine Reihe ähnlich schöner Felsen und ein paar Kilometer östlich in der Nähe des Gatbergs (dieser Berg hat in seinem Gipfel ein Loch so groß wie das Prebischtor) sahen wir ebenfalls hohe Felstürme. Die Talseiten der meisten Felsen zeigen nach Süden, d.h. sie liegen angenehm kühl im Schatten. Trotzdem sollte man, wenn es sich einrichten lässt, besser im Frühling (also Oktober, November) oder Herbst hierher kommen, denn im Sommer wird es fürs Klettern ziemlich heiß.

Bilder zum Vergößern :
Guardian Peaks   Linker Hang   Fingers   Fingers   Pyramide   Gatberg  


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